Der Skarabäus
«Alles, was Allah will, geschieht und was er nicht will, geschieht nicht», murmelte Anku gedankenverloren. Er musste lediglich genug Vertrauen aufbringen, denn der Allmächtige, in seiner Güte, würde ihn und seine Familie nicht im Stich lassen.
Er blickte zu seinem Sohn hinüber, der im Schatten der Tempelanlage spielte und ein Lächeln stahl sich in Ankus Gesicht. Djau war ein guter Junge, der ihm und seiner Frau viel Freude bereitete. Mit seinen fünf Jahren war der Kleine bereits eine große Hilfe bei der Feldarbeit, auch wenn er leider etwas zu schmächtig geraten war.
Anku bedauerte es sehr, dass Allah ihnen nur Djau geschenkt hatte. Viele Kinder bedeutete viele Hände, doch zum jetzigen Zeitpunkt hätten zusätzliche, hungrige Mäuler seine Lage nur noch verschlimmert.
Er wandte sich wieder der Ziege zu und kniff die Augen zusammen. Das trächtige Tier schnupperte an einem dürren Büschel Gras, und er hielt unwillkürlich den Atem an. Doch das dumme Vieh schüttelte nur den Kopf und meckerte leise. Anku seufzte. Sie würde also auch heute nichts fressen. Wenn die Ziege nicht bald wieder Nahrung zu sich nahm, würde sie, mitsamt ihrem Jungen im Bauch, verenden. Und wie sie dann durch den Winter kommen wollten, wusste Allah allein.
Noch vor drei Wochen, als die Fremden, die im Sand nach Schätzen seiner Vorfahren buddelten, ihre Zelte abgebrochen hatten und mit dem Strom wieder fortgesegelt waren, hatte sein Leben und das seiner Familie so leicht ausgesehen. Mit dem Lohn, den er fürs Graben erhalten hatte, hatte er die Ziege und neues Werkzeug kaufen können.
Seine Felder, die während der Ausgrabungen brachgelegen hatten, mussten jetzt endlich bearbeitet werden, damit sie noch Ertrag ablieferten. Doch Allah war nicht gnädig mit ihm gewesen. Schon am ersten Tag stahlen vorbeiziehende Beduinen die neue Harke mitsamt der kostbaren Schaufel. Die Ziege befand sich zu dem Zeitpunkt - Allah sei's gedankt! - noch bei seiner Familie in der Höhle. Aber jetzt war das Tier krank. Oder vielleicht schon gewesen, als er es gekauft hatte? Anku wusste sich keinen Rat mehr. Vielleicht war es das Beste, die Ziege gleich zu schlachten und nicht das Unvermeidliche abzuwarten. Ihr Fleisch würde sie wenigstens die nächsten Wochen ernähren können - danach lag ihr Leben in Allahs Hand.
Kaschef Khalil hatte den Arbeitern jedoch erzählt, dass die Fremden ganz sicher zurückkehren würden, um noch mehr Tempel auszugraben, weil sie auf Gold aus waren. Und Anku hoffte daher, dass die Ungläubigen bald kämen, denn dann gab es erneut Arbeit und natürlich auch wieder Münzen.
«Djau!», rief er und schirmte seine Augen gegen die gleißende Sonne ab. «Komm, wir wollen zurück!» Doch der Platz im Schatten war leer. «Djau?», rief er nochmals und runzelte die Stirn. «Wo steckst du?»
Ein leichter Wind war aufgekommen, der den feinen Sand zu Kreiseln aufwirbelte und die freigegrabenen Stufen bereits wieder mit einer Schicht überzog.
Anku gab der Ziege einen Klaps auf den Hintern und überquerte den Tempelvorhof.
Djau hatte aus den Bruchstücken eines behauenen Steins einen Stall gebaut. Links und rechts davon lagen ein paar Kiesel im Sand, die vermutlich eine Ziegenherde darstellen sollten.
Anku lächelte, bückte sich und hob einen der Steine auf. Er schmiegte sich warm und glatt in seine Handfläche. Auf der einen Seite befanden sich Längsrillen, die in der Mitte zusammenliefen. Der obere Teil war glatt wie die Haut einer Jungfrau und mündete in einem kleinen Höcker.
Anku hob verblüfft die Augenbrauen. Er drehte den Kiesel hin und her, fuhr dann mit dem Finger über dessen Unterseite, auf der er kleine Vertiefungen ertastete. Er spuckte auf den dunklen Stein und wischte ihn anschließend an seiner Hose ab. Winzige Zeichen kamen zum Vorschein, die ihn an die Wandmalereien des Tempels erinnerten, den sie vor kurzem freigeschaufelt hatten: eine Feder, wellenförmige Linien und etwas, was wie seine geraubte Harke aussah.
Er erinnerte sich an die Geschichten, die ihm seine Großmutter früher erzählt hatte.
«Anku», hatte sie gesagt und ihm dabei schelmisch zugezwinkert, «setz dich zu einer alten Frau und lass dir die Geschichte von Amenophis erzählen, der mit Hilfe eines kleinen Käfers und dessen rötlichem Kügelchen das Herz der schönen Teje gewinnen konnte.»
Auf einmal wusste Anku, was er da in den Händen hielt. Es handelte sich um das Abbild eines Chepers!
Er warf sich zu Boden und sammelte hastig alle restlichen Kiesel ein. Es waren alles Skarabäen in verschiedenen Größen und Farben. Einige waren aus dunklem Stein, andere schimmerten grünlich und einer - er wagte es nicht zu hoffen - glänzte golden, als er ihn von Staub und Sand befreite.
«Bei Allah!», stammelte er, lehnte sich fassungslos an die Tempelmauer und betrachtete das halbe Dutzend Schmuckstücke in seinen Händen. Wenn er die den Fremden verkaufen könnte, und er wusste, wie gierig sie alles sammelten, was aus den Gräbern kam, würde er und seine Familie keine Not mehr kennen.
«Papa!» Die Stimme seines Sohnes brachte Anku in die Gegenwart zurück. «Jetzt hast du meinen schönen Stall zerstört!» Djau stand mit grimmigem Gesicht vor ihm und seine Unterlippe zitterte.
«Wo hast du diese Kiesel her?», fragte Anku und hielt seinem Sohn die Skarabäen hin.
«Meine Ziegen? Die habe ich dort drüben gefunden.» Djau wies mit der Hand auf einen winzigen Spalt in der Tempelmauer, durch den sich höchstens eine Katze hindurchzwängen konnte.
Anku schluckte. Nur eine Katze? Oder vielleicht ein fünfjähriger Knabe, der durch den ständigen Hunger zu dünn für sein Alter war?
Anku schloss einen Moment die Augen, dann räusperte er sich und fragte mit unterdrückter Erregung: «Schatz, sag, gibt's dort denn noch mehr dieser ... ehm ... Ziegen?»
Djaus Gesicht hellte sich auf. «Aber ja, Papa», rief er übermütig. «Eine ganze Herde davon!»
© Margot S. Baumann / 2008
Heute erscheint "Nebelreise" als Hörbuch. Somit ist meine gesamte England-Reihe vertont und kann auf jeder gängigen Plattform gestreamt werden.
Inhalt:
Ihre Nachforschungen über eine verschwundene Millionenerbin führen die junge Juristin Samantha in das malerische Küstenstädtchen Poole.
Der Lösung kommt sie dort allerdings nur wenig näher, stattdessen lernt sie einen sympathischen Mann kennen ...
Spontan begleitet sie Ethan auf die wildromantische Kanalinsel Jersey, von der er stammt – und wo sich der Nebel, der den geheimnisvollen Fall umgibt, unverhofft lichtet.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß in England!
Zur langen Hörprobe auf Youtube klicken Sie bitte hier.
*** große Preisaktion ***
Im April sind gleich vier England-Romane im Kindle-Deal für nur je 1.99 erhältlich. Zugreifen und profitieren!
Reisen Sie mit den Protagonistinnen an die schönsten Orte und lösen Sie mit ihnen spannende Geheimnisse aus der Vergangenheit.
Viel Lesespaß!
Günstiger Lesestoff für Ihren Kindle!
Aktuell erhalten Sie das E-Book von "Nebelreise" auf Amazon.de für nur 1.99 ... zugreifen, die Preisaktion ist zeitlich begrenzt.
Inhalt:
Wildromantisch, berührend und geheimnisvoll – ein fesselnder Roman um ein dunkles Familiengeheimnis auf der malerischen Insel Jersey.
Wie eine Insel im Meer, wenn der Sturm den Nebel verweht …
Ihre Nachforschungen über eine verschwundene Millionenerbin führen die junge Juristin Samantha in das malerische Küstenstädtchen Poole.
Der Lösung kommt sie dort allerdings nur wenig näher, stattdessen lernt sie einen sympathischen Mann kennen ...
Spontan begleitet sie Ethan auf die wildromantische Kanalinsel Jersey, von der er stammt – und wo sich der Nebel, der den geheimnisvollen Fall umgibt, unverhofft lichtet.
Das E-Book von "Das Erbe der Bretagne" ist aktuell im Kindle-Deal für nur 1.49 erhältlich - zugreifen, die Preisaktion ist zeitlich begrenzt.
Günstiger Lesestoff für Ihren Kindle!
Das E-Book von "Das Erbe der Bretagne" ist aktuell im Kindle-Deal für nur 1.49 erhältlich. Zugreifen, die Preisaktion ist zeitlich begerenzt!
Inhalt:
Amélie Monfort findet an einem sonnigen Tag im Mai ein altes Tagebuch in ihrem Briefkasten. Wer legte es dorthin und wozu?
Sie beginnt darin zu lesen und identifiziert sich immer stärker mit der unbekannten Tagebuchschreiberin und deren Schicksal kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Einträge aus der Vergangenheit beginnen, ihr Leben zu bestimmen. Doch wer ist die Verfasserin und was hat sie mit Amélie zu tun?
Als eines Tages der Maler Matthieu Kaldera vor ihrer Tür steht und das Tagebuch zurückfordert, verspüren beide sofort, dass zwischen ihnen ein Band besteht. Sie begeben sich auf die gemeinsame Suche nach der Wahrheit und merken dabei, dass ihr Schicksal auf verschiedenste Weise miteinander verknüpft ist.
Viel Lesespaß in der schönen Bretagne!
Aktuell sind gleich zwei meiner Italien-Romane im Kindle-Deal. Also sehr viel südliches Flair für wenig Geld!
Jedes E-Book kostet nur 1.99. Die Preisaktion ist zeitlich begrenzt - schnell zugreifen.
Viel Lesespaß in Italien!
Sie haben im Januar bereits wieder Lust auf den Sommer? Dann habe ich einen Tipp für Sie. Das E-Book von "Unter der Sonne Siziliens" ist für kurze Zeit zum halben Preis erhältlich. Heiße Tage und Nächte sind garantiert. Zugreifen!
Inhalt:
Justin Montague Browne, Spross eines verarmten englischen Adelsgeschlechts, entdeckt durch Zufall auf dem Landsitz seiner Familie einen wunderschönen Liebesbrief.
Die poetischen Worte, die sein Großonkel vor über sechzig Jahren schrieb, bewegen ihn so, dass er nach Sizilien fliegt, um die mysteriöse Ginny zu suchen, an die der Brief gerichtet war.
Was als Urlaubsreise mit romantischer Mission beginnt, wird unter der Sonne Italiens für den smarten Engländer zu einer persönlichen Herzensangelegenheit ganz anderer Art: Denn Justin lernt die Sizilianerin Romina D’Agostino kennen, die sich für die Suche nach Ginny genauso begeistern kann wie er.
Gemeinsam begeben sie sich auf eine Reise in die Vergangenheit, die ungeahnte Auswirkungen auf ihr eigenes Leben hat …
Viel Lesespaß!
Aktuell ist das E-Book meines aktuellen Romans "Die Buchhandlung in Madrid" auf Amazon.de zum halben Preis erhältlich. Zugreifen, die Preisaktion endet bald!
Inhalt:
»Abuelo Augustin ist nicht dein leiblicher Großvater!«
Adora kann kaum glauben, was ihre Mutter da sagt: Ihre streng erzogene Großmutter erwartete bereits ein Kind, als sie Augustin heiratete? Auch wenn ihre Mutter nicht mehr darüber sprechen möchte,
ist Adoras Neugier geweckt. Sie will unbedingt herausfinden, wer der Liebhaber ihrer Großmutter war.
Ein erster Hinweis in einem alten Gedicht führt sie in eine kleine Buchhandlung im verträumten Madrider Literatenviertel. Zuerst ist der junge Buchhändler Darío Ruiz zwar abweisend, denn er
hat andere Sorgen: Sein Laden droht geschlossen zu werden. Aber dann machen sie sich doch gemeinsam daran, das Geheimnis der Vergangenheit zu lösen.
Dabei kommen die beiden sich so nahe, dass Adora sich fragt: Hat die Vergangenheit sie zusammengeführt, weil Darío und sie vielleicht eine gemeinsame Zukunft erwartet?
Viel Lesespaß im sommerlichen Madrid!
Ich wünsche Ihnen viel Lesespaß!